Die letzten Tage von Plouhinec

Zum ersten Mal kam ich mit dem Fahrrad hierher. Meine Eltern hatten sich gerade das kleine Häuschen am Meer gekauft – ihr Ersparte hatte gerade gereicht – und ich nahm mir zwei Monate Auszeit nach Studium und Zivildienst. Das Ende meiner Tour de France war jenes kleine Häuschen, damals noch nicht eingerichtet und auch der charakterisitsche Wintergarten fehlte noch.

Zwei Wochen blieb ich im leeren Haus. Dann zogen meine Eltern ein. Fortan kamen sie jedes Jahr mindestens einmal, manchmal öfter. In der Pension bleiben sie das halbe Jahr hier. Das Häuschen wurde immer wohnlicher, mein Vater errichtete den Wintergarten, der zum Zentrum und allerwichtigsten Raum wurde. Mein Vater hatte sich mit dem Häuschen einen Traum erfüllt: Er wollte in Frankreich leben. Ursprünglich hatte er an ein Leben als Clochard in Paris gedacht – aber Familie und der soziale Druck forderten ihren Tribut. Meine Eltern gründeten eine zweite bürgerliche Existenz in der Bretagne.

Im Mai war ich zum letzten Mal dort. Diesmal nicht mit dem Fahrrad. Mein Vater war gestorben, meine Mutter ist nicht mehr mobil genug und mir mangelt es an Zeit, Geld und Frankophilie um das nun ererbte Häuschen zu erhalten. Ein Makler war zu beauftragen um das Häuschen zu verkaufen, Bankgeschäfte waren zu erledigen. In der übrigen Zeit nahm ich Abschied von Plouhinec. Lange Spaziergänge am Meer. Der Wald streut mir Rosen auf den Weg. Ein letztes Mal in den Atlantik getaucht – bei Regen und kaum 15 Grad Wassertemperatur.

Die nahe Stadt Audierne wird immer hektischer. Es wird laut. Vom gegenüberliegenden Pier hallt wummernde Partymusik über den Meerarm. Der nächste Bäcke, der nächste Supermarkt haben längst geschlossen. Ohne Auto ist das Leben hier kaum mehr denkbar. Der Abschied fällt mir nicht allzu schwer.

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