
Im Diogenes Verlag ist vor ein paar Wochen eine Neuauflage eines meiner liebsten Kinderbücher erschienen: „Der Maulwurf Grabowski“ von Luis Murschetz. Da passt es gut, dass der Europäische Maulwurf zum „Säugetier des Jahres“ gewählt worden ist.
Der Maulwurf Grabowski ist ein sympathischer Einzelgänger. Ein wenig mürrisch, aber sehr genügsam. Eine saftige Wiese ist alles, was braucht und sein Ausruf „Wie behaglich, wie geruhsam“, mit denen er sich in seine Schlafhöhle zur Ruhe begibt, wurden unter uns Kindern zu geflügelten Worten.
Maulwürfe sind faszinierende Tiere. Aber die Natur ist kein Kinderbuch. Über Maulwürfe lässt sich auch in einem ganz anderen Ton schreiben. Zum Beispiel im Stil eines Horrorromans:
Jede seiner Handflächen ist so groß wie sein gesamte Gesicht. Eine grimmige Laune der Natur hat ihm sechs Finger an jeder Hand wachsen lassen und jeder Finger läuft in eine rasiermesserscharfe Kralle aus. Der Mund bietet 44 äußerst spitzen Zähnen Platz, die nur dazu geschafften sind, rohes Fleisch zu zerfetzen. Seine Ohren sind winzig und kaum zu erahnen, aber sein Gehör ist scharf und über alle Maßen empfindlich. Ein schütterer Schnurrbart sticht seitlich aus seinem langgestrecktem Gesicht, das in eine fleischige Nase ausläuft. Die Nasenspitze leuchtet blutrot, und sie zittert vor Erregung, wenn er ein Opfer wittert. Wenn er es erjagt hat, pflegt er seinen Opfern bei lebendigem Leibe den Kopf abzureißen
Er lebt im Dunkel und meidet jedes Licht. Bevorzugt ist er um Mitternacht unterwegs, eingehüllt in einen schwarzen, samtenen Pelzmantel, aus dem verschlagen ein winziges Paar kurzsichtiger Augen herausblickt. Sein Schloss ist ein wahres Labyrinth aus dunklen Korridoren und düsteren Kammern, in die niemals ein Sonnenstrahl fällt. In den tiefsten Kerkern hält er ausgewählte Opfer gefangen. Wochenlang hält sie einem Schwebezustand zwischen Leben und Tod, bis sein Hunger ihr Schicksal entscheidet. Und sein Appetit ist riesig!
Der Augenzeuge Alfred Edmund Brehm, ein weit gereister Forscher, beschreibt ihn als wahrhaft furchtbares Raubtier. Er sei wild, außerordentlich wütend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig und lebe mit keinem einzigen Geschöpf im Frieden. Seine Opfer fürchten ihn mehr als alles andere. Sobald ein Zittern der Erde sein Kommen ankündigt, fliehen seine Opfer in Panik. Doch wenn er seinem Ebenbild begegnet, dann stürzt er sich besinnungslos auf den ungebetenen Gast um ihm den Garaus zu machen. Ein blutiges Gemetzel ist die Folge, aus der nur einer lebend hervorgeht.