Handke vor der Kirchentür

Peter Handke hat also den Literatur-Nobelpreis bekommen. Das ist schön. Das ist schön, weil es wieder einmal einen Literatur-Nobelpreisträger gibt, von dem ich ein bisschen Ahnung habe. Ich habe nämlich weder von Olga Tokardzuk noch von Kazuo Ishiguro noch von Swetlana Alexijewitsch jemals auch nur eine Zeile gelesen, bevor sie Nobelpreisträgerinnen bzw. –träger geworden sind. Von Bob Dylan habe ich zwar viel gehört, aber das zählt nicht.

Über Handkes „Kaspar“ habe ich in der Unterstufe ein Referat halten müssen, was mir vor allem deshalb in Erinnerung geblieben ist, weil ich absolut nicht verstanden habe, um was es dabei eigentlich ging. Meine Deutschlehrerin auch nicht, sonst hätte sie mir zumindest den Hinweis geben können, dass es da um ein sprachloses Findelkind geht. Das hat meine Lehrerin aber nicht. Wahrscheinlich hat sie das selbst nicht gewusst und Internet gab’s damals noch nicht. Meine Lehrerin hat mir in stummer Ehrfurcht vor dem Dichter (Oh, Handke! Moderne Literatur! So schön unverständlich!) den Text hingeknallt, und ich war – ratlos. Ziegen und Affen!

Das alleine hätte gereicht, nie wieder ein Buch von Handke aufzuschlagen. Ich habe es aber doch getan. Ich habe Handke-Stücke im Theater gesehen und Handke-Filme im Kino angeschaut. Manches war amüsant, das meiste langweilig. Ganz am Rande habe ich sogar etwas zur Aufführung eines Handke-Stückes beigetragen: Damals wurde „Die Fahrt im Einbaum“ am Burgtheater gegeben und ich schraubte in der Bühnenwerkstatt Metallplatten auf den „Einbaum“. Das Stück habe ich dann doch nicht gesehen.

Ungefähr zu der Zeit habe ich mich einmal mit einem alten Germanistik-Professor geredet, der einen Nachmittag mit Handke verbrachte (er hat ihn vom Flughafen abgeholt und ihm bis zur Autorenlesung am Abend Gesellschaft leisten müssen.) Er hat schon vorher nicht viel Respekt vor Handke gehabt. Im Laufe des Treffens ist sein Meinung über Handke noch weiter gesunken.

Ich bin übrigens einmal neben Peter Handke gestanden. Zufällig haben sich unsere Wege vor der Gumpendorfer Kirche gekreuzt. Er wollte hinein, aber die Kirche war verschlossen. Handke rüttelte vergebens an der Tür, schaute verklärt und ging seines Wegs. Wir haben kein Wort miteinander gewechselt.

Das letzte Buch von Handke, das ich gelesen habe, war der „Versuch über den Pilznarren“. Das war zumindest nicht allzu lang. Nachhaltigen Eindruck hat es keinen hinterlassen. Ich habe auch nicht vor, in nächster Zeit Handke zu lesen. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn der Rummel um den Nobelpreis verklungen ist, wenn einem nicht mehr rundum eintrompetet wird welchen Handke-Canon man als Bildungsbürger gelesen haben muss und warum man Handke lieben oder hassen muss, dann vielleicht mache ich wieder einen Versuch, Handke zu lesen. Und falls wir einander wieder vor einer verschlossenen Kirchentür über den Weg laufen, werde ich ihn nicht ansprechen.

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