Ein Kelch-Becherling wagt sich nach dem Winter ins Freie.
Wem gehört die Welt? Nicht Elon Musk, nicht Jeff Bezos und auch nicht René Benko. Nein, die Welt gehört den Pilzen. Zum Beispiel dem Kelchbecherling, einem der ersten Pilze, der im Frühjahr ihren Fruchtkörper ins Freie streckt.
Die kahlen Bäume sind schwarze Skelette, die sich mit einem Leichentuch aus Schnee bedeckt haben. Dazwischen weißborkige Pappeln wie freundliche Gespenster. Der Wald hat sich verkleidet. Die Welt geht inkognito. Die Wege sehen aus wie noch nie begangen. Ich folge einer Wildschweinspur. Sie führt mich ans Wasser, dort kommen Dutzende Spuren zusammen. Wildschweine und Rehe, Hirsche, Füchse und vielleicht auch Dachse.
Nach fünf Stunden Vorträgen lauschen hab ich Zeit, ein wenig durch Graz zu strollen. Ich besuche Orte der Erinnerung: Die Baustelle, die ich einst in einer Nacht erklommen habe, und die sich inzwischen zu einem Wohnkomplex ausgewachsen hat. Das Amt, an dem ich einen Sommer lang gejobbt hatte, das andere Amt, an dem ich mich für einen richtigen Job beworben hatte, den ich dann doch nicht gekriegt habe. Der Park, in dem ich eine Nacht verbracht hatte, der Buchladen, in dessen Auslage einmal mein Kriminalroman ausgestellt war und das Café, in dem ich den Slackliner/Physiker/Buchautor für unseren Podcast interviewt hatte. Nur das Haus, in dem ich einen Monat lang gewohnt hatte, das fand ich nicht mehr.
Jedes Jahr um Weihnachten, in der Zeit der so genannten Raunächte, nehme ich mir einen halben Tag frei und fahre mit der Schnellbahn eineinhalb Stunden lang nach Norden. An einer bestimmten Station steige ich aus.
Schneefall am Bisamberg. Statt einer Geburtstagsparty machen wir eine Ziegenwanderung. Die Ziegen akzeptieren uns als ihresgleichen, wir werden zum Teil der Herde, zu Ziegen unter Ziegen. Wer zurückbleibt – sei es, um grüne Blätter zu zupfen, sei es, um zu fotografieren – wird angemeckert: „Mach schnell, wir warten auf dich!“
Über einen Mangel an Touristen kann man sich in Prag üblicherweise nicht beklagen. Wenn sich Massen an Menschen über die Karlsbrücke schieben, ist die Diagnose „Overtourism“ nicht ganz abwegig. Doch es gibt auch Zeiten und Plätze, da wirkt die Stadt geradezu ausgestorben. Dann weht ein längst vergessener, beinahe unheimlicher Zauber über die Plätze und durch die Gassen. In den stillen Cafés, den verschlafenen Buchläden, den düsteren Teehäusern und nächtlichen Bars spürst du eine jahrhundertealte stille Melancholie.
Martin Balluch ist einer der bekanntesten Tierschützer Österreichs. An einem kalten Herbsttag sitzen wir auf einer Bank vor seinem Haus in über 1000 m Seehöhe in der Nähe des Hochschwabs.
Die Sommerhitze macht Pause. Von Südwest zieht langsam ein Gewitter auf. Die dunklen Wolken tauchen die Landschaft in ein dämmriges Zwielicht. Ein Reh wagt sich aus dem Wald in den Obstgarten des Nachbarn. Kurz blickt es auf, sieht mich neugierig an, dann fährt es fort, die Falläpfel zu naschen.