Dr. Schiwago im Südburgenland

Burgenländischen Busfahrer sind zuvorkommend, freundlich und redselig. An ihnen liegt es nicht, dass ich eine halbe Stunde in Wind und Schneegestöber an einer kargen Bushaltestelle in Oberwart stehe. Es liegt am Busfahrplan, der keine direkte Verbindung von Wien nach Bad Tatzmannsdorf vorsieht. Und es liegt daran, dass die Bahnstrecke von Oberwart nach Bad Tatzmannsdorf fröhlich verwildert. Eine lange, schmale G`stettn, auf der Brombeeren um Eisenbahnschienen ranken, Birken auf dem Schotter zwischen den Schwellen hochschießen und  Schlehen, Flechten und Moose den Platz dazwischen besiedeln.

Es fährt kein Zug mehr auf dieser Bahnlinie. Auch keine Museumsbahn und nicht einmal eine Draisine. Die Schienen liegen noch da. Aber auch die sind bereits verkauft und werden wohl demnächst abgeholt und eingeschmolzen, wie mir ein Busfahrer erzählt. Spannender ist, was dann mit dem Bahndamm geschehen wird, mit dem Schotterbett, den Brombeeren, Birken und Ruderalpflanzen. Darf diese langgezogene Schneise der Wildnis bleiben wie sie ist? Kommt da ein asphaltierter Radweg für die Kurgäste hin? Oder wird dieses vergessene, schmale Stück Natur von der Agrarlandschaft rundum verschluckt?

In Bad Tatzmannsdorf hört der Schienenstrang auf. Die Reste eines kleinen Bahnhofs sind noch zu sehen und sogar das hölzerne Stationshäuschen. Auf der Bahnsteigseite steht „Bad Tatzmannsdorf“ drauf, wie sich das so gehört. Auf der anderen Seite aber steht:

ПОГРАНИЧ
СТАНЦИЯ
ВОЛОЧИСК

Was ich mir als „Grenzstation Wolotschysk“ zusammengoogle.*

Der Busfahrer bestätigt meine Vermutung: Die Station wurde von einem Filmteam als Kulisse benutzt. Ich tippe auf „Dr. Schiwago“. Nicht der Film von 1963 sondern eine der neueren Verfilmungen fürs Fernsehen.

 * Auszug aus Wikipedia:
Durch den Bau der Eisenbahn Lemberg–Podwołoczyska (im Besitz der Galizischen Carl Ludwig-Bahn) mit Anschluss an das russische Bahnnetz bis Kiew wurde 1871 im Ort ein Bahnhof eröffnet, da Wolotschysk an der Grenze zwischen dem Russischen Reich und Österreich-Ungarn (Galizien) lag, war der Ort gleichzeitig Grenzort, jenseits der Grenze entwickelte sich gleichzeitig auch der galizische Grenzort Pidwolotschysk zu einem Handelsknotenpunkt, dessen Name von Wolotschysk abgeleitet ist.

 

Schreibe einen Kommentar

Back to Top