Die burgenländische Fauna: geheimnisvoll, dunkel und exotisch
Bilder
Gebrochener Flügel
Als ich die Gleise der aufgelassenen Bahnstrecke zwischen Oberwart und Bad Tatzmannsdorf entlanggehe, flattert vor mir ein brauner, großer Vogel auf und lässt sich auf der Böschung neben der Trasse nieder. Er flieht nicht weiter, sondern sieht mich nur mit aufgerissenen Augen an. Es ist ein Bussard. Die Schwungedern sind etwas zerrupft, den linken Flügel hält er in einem unnatürlichem Winkel abgestreckt. Ist er gebrochen? Ist der Bussard von einem Auto angefahren worden und hat sich in den Wald geflüchtet? Oder hat ihn ein Jäger angeschossen?
Dr. Schiwago im Südburgenland
Burgenländischen Busfahrer sind zuvorkommend, freundlich und redselig. An ihnen liegt es nicht, dass ich eine halbe Stunde in Wind und Schneegestöber an einer kargen Bushaltestelle in Oberwart stehe. Es liegt am Busfahrplan, der keine direkte Verbindung von Wien nach Bad Tatzmannsdorf vorsieht. Und es liegt daran, dass die Bahnstrecke von Oberwart nach Bad Tatzmannsdorf fröhlich verwildert. Eine lange, schmale G`stettn, auf der Brombeeren um Eisenbahnschienen ranken, Birken auf dem Schotter zwischen den Schwellen hochschießen und Schlehen, Flechten und Moose den Platz dazwischen besiedeln.
Ben, Brehm und Boyle
Es ist kalt in Berlin. Auf die Schlüsselübergabe müssen wir noch eine halbe Stunde warten, also gehen wir ins nächstbeste Café – eigentlich ein winziger Bäckereiladen mit drei Tischen und einer sehr resoluten Chefin. Hier führen die Frauen das Regime. Die Chefin amüsiert sich darüber, dass Dany „Kipferl“ zum Hörnchen sagt und neckt ihren einzigen männlichen Stammgast: einen gutmütigen, etwas trägen Berliner, der die Hänseleien stoisch über sich ergehen lässt. Die kleine Enkelin der Chefin ist noch direkter: „Alle Männer sind blöd“, verkündet sie. Aber sie will uns dann doch nicht gehen lassen, versperrt uns den Weg. Wir würden ja gerne noch bleiben, eintauchen in das „Berliner Milieu“, aber wir müssen den Schlüssel für unsere Wohnung abholen.
Klaustrophobie im Spitalsbett und der Hamster im Schnee
Im Krankenhaus verkleinert sich die Welt auf 80 cm x 190 cm. So groß, wie eben ein Spitalsbett ist, in dem ich – als Patient mit Überlänge – nicht ganz Platz finde. Es ist aber nicht das Bett, das Grenzen setzt. Es ist mein eigener Körper. Mit einer Lungenembolie kann ich nicht viel mehr als am Rücken liegen. Tagelang. Aufsetzen ist unendlich anstrengend. Waschen und Zähneputzen sind Schwerstarbeit. Das Eingesperrtsein in meinem Körper verursacht eine existenzielle Klaustrophobie. Panik im eigenen Leib.
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Himmel in Flammen
Auf der Suche nach Unorten. Plätzen, die es nie in die Anthologie „Schönes Österreich“ schaffen werden. Zwischen Himberg und Ebreichsdorf kommen wir dem Gesuchten recht nahe. Eine Landschaft wie eine Maschine. Der glühende Abendhimmel scheint die Hochspannungsmasten auffressen zu wollen.
Letztes Aufbäumen
Andere Kastanien werfen um diese Zeit ihre Früchte ab. Die Bäume vor dem Technischen Museum trotzen der Jahreszeit. Sie setzen frisches grünes Laub an und blühen, als gäbe es keinen Herbst und keinen Winter. Trockenheit und Kastanienminiermotten haben ihnen zugesetzt, jetzt stecken sie ihre restliche Energie in die winzige Hoffnung, noch einmal Nachkommen zu hinterlassen bevor der Frost zur Winterruhe zwingt.
Mein Unterwasser-Streichelzoo
Eine Süßwasserqualle schwebt durchs Wasser. © Daniela Lipka
Im Juni bin ich in der Neuen Donau unerwünscht. Ich sitze bis zur Brust im Wasser und wasche den Schweiß von meinem Körper. Plötzlich spüre ich ein Zwicken an meinem Fuß. Ein Krebs? Nein, es ist ein Sonnenbarsch, ein kleiner Fisch mit auffallend orangefarbenen Wangen. Er hat in der Nähe seinen Laich abgelegt und nun beißt er mich und versucht mich zu vertreiben. Gutmütig wie ich bin, schwimme ich ins tiefere Wasser und lasse ihn und seinen Nachwuchs in Ruhe.